Dienstag, 17. Juli 2007

Politics - die Zweite

Nach langer Pause mal wieder ein Eintrag. Arbeit und Urlaub kamen mir in den letzten Wochen dazwischen, aber dafuer gibt's natuerlich auch mehr Material fuer den Blogeintrag.

Wo fang ich denn mal an? Letztes Mal ging es unter anderem um Politik. Ueber die letzten Jahre, und besonders intensiv auch wieder nach den Ereignissen in London und Glasgow, werden immer mehr "civil liberties" (buergerliche Freiheiten) eingeschraenkt und zwar immer unter dem Banner der Terrorabwehr. So hat dann auch Gordon Brown bei seinem Amtsantritt als britischer Premier angekuendigt, die Position der Behoerden zu staerken, was letztendlich wieder die Position der Buerger schwaecht.

Nun ist des Inselaffen Persoenlichkeit gerade in diesem Fall sehr gespalten - ein wunderbares Beispiel, wie man es hier versteht, mit Widerspruechlichkeiten ganz selbstverstaendlich und unbedarft umzugehen.

Grossbritannien ist das Land mit der hoechsten Dichte an Ueberwachungskameras. Vor ein paar Jahren zB ging durch die Presse, das man an einem normalen Arbeitstag in London ca 300 mal gefilmt wird. Nummernschilder werden routinemaessig ueberwacht und gegen zentrale Datenbanken ueberprueft. Das erlaubt es der Polizei, auf der Autobahn ein "gesuchtes" Kennzeichen zu entdecken und dann per Verfolgungswagen herauszugreifen. Auf meiner Rueckreise von Deutschland nach hause sauste mir so ein ANPR Intercept Wagen auf der M25 um die Ohren.
ANPR Team

Fuer Fluege von Grossbritannien (und dem Rest der Welt auch) werden routinemaessig Details der Passagiere an die USA uebermittelt (Advance Passenger Information System - kurz APIS). Das Ganze bis vor kurzem auch gegen die Europaeischen Datenschutzrichtlinien. Zu den uebertragenen Daten gehoer(t)en zB auch Kreditkartendaten...

Aehnliche Bedingungen gelten mittlerweile in Spanien (fuer Fluege aus Nicht-Schengen Laendern, zB GB), was mir bei der Arbeit Kopfzerbrechen bereitete. Frankreich bastelt an aehnlichen Gesetzen, und die auch Grossbritannien arbeitet mit behoerdlicher Behebigkeit an dem eigenen "Trusted Borders" Projekt.

Bei Reise in die USA haben die Zoellner (heissen die noch so?) sich das Recht gegeben, Laptops nicht nur auf Funktionalitaet zu ueberpruefen ("einmal kurz anschalten, bitte"), sondern die gleich zu konfizieren und die Inhalte zu untersuchen. Es gibt keine Einspruchsmoeglichkeit, und es muss noch nichtmal ein "Anfangsverdacht" bestehen...
US customs delving into Laptops - 1
US customs delving into Laptops - 2

Bleiben wir gleich mal in den USA - Wer schonmal Geld zwischen Banken transferiert, mag von einem Dienst namens Swift gehoert haben - ein Zahlungsuebermittlungsdienst zwischen Banken, der professionelle Opa von Paypal. Da dies eine US Firma ist, hat Uncle Sam auch das Recht, saemtliche ueber diesen Dienst abgewickelten Zahlungen zu inspizieren.
Politics
US Swift Payments and information security - Belgians rule it to be against DPA

Soviel zu ein paar Beispielen, was mittlerweile in Datenbanken zusammengetragen wird. Kombiniert man das mit den Gesetzgebungen hier in GB, wo zB ein auslaendischer Staatsbuerger (so wie ich) ohne Anklage 28 Tage in Haft gehalten werden kann, sobald die Ordnungshueter einen Anfangsverdacht haben, und auch auf Anfrage an die US ausgeliefert wird, ohne dass ein britischer Richter das vorher ueberpruefen kann, dann kann einem schon der Gedanke an einen Polizeistaat kommen.

Mit wenigen Ausnahmen geht all dies am Oeffentlichkeitsbewusstsein vorbei. Es heisst dann oft - I have nothing to hide, so I have nothing to fear.

Wie war das nun eine Widerspruechlichkeit? Geht es um das Thema des Personalausweises (ID Card), da dreht sich das ganz dramatisch in die Gegenrichtung. Auf einmal ist die Mehrheit sehr skeptisch und kritisch.

Es gibt in GB keine Meldepflicht, und wenn man nicht gerade einen Pass oder Fuehrerschein hat, dann laeuft der Identitaetsnachweis ueber Geburtsurkunde und ueber die Stromrechnung... ganz im Ernst.

Wenn ich zB zu unserem lokalen Videoverleih gehe, um mir eine DVD zu leihen, dann muss ich eine Kreditkarten- oder Bankrechnung und eine Versorgerabrechnung vorlegen. Selbst bei der Kontoeroeffnung bei der Bank gelten die Schriebsel des Versorger als Address- und Identitaetsbeweis.

Das Multi-Millionen Projekt der "national ID Card" hat im Bewusstsein hier den Ruch des Ueberwachungsstaates. Seine Identitaet will man lieber geheim halten - kein Name an den Klingeln, auch am Telefon meldet man sich mit "hello" und nicht wie ich es damals in Deutschland lernte, mit Namen.

Nun mag man denken, dass ein Perso ja gerade den Identitaetsnachweis gross vereinfachen koennte, gegen Erschleichung von Sozialleistung durch falsche Angaben reduziert werden koennte, das Identitaetsdiebstahl (Kontooeffnung unter dem Namen eines Anderen, gefolgt von Riesenbestellungen ueber's internet und Aufnahme von Krediten) um einiges schwieriger wuerde? Aber nein - der Perso ist Teufelswerk, und koennte ja die persoenlichen Freiheiten gefaehrden.

Warum ist die Wahrnehmung so selektiv? Ich weiss es nicht.

Sicher gehoert dazu die Beschwoerung all der Gefahren fuer das Land, die die anderen Ueberwachungsmassnahmen ja so fein rechtfertigen kann - da kann man auch einen Reichstag anzuenden um das Publikum auf Gesetzesaenderungen einzustimmen. Mit Sicherheit wird auch Brown die Vorfaelle in Glasgow und London (bei denen ja gluecklicherweise kein Unbeteiligter zu Schaden kam) fuer den "spin" benutzen, also fuer die gezielte Kommunikation, um Entscheidungen im Volksbewusstsein vorzubereiten und ganz offensichtlich erscheinen zu lassen.

Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass es die ID Card nur zu Kriegszeiten gab, als Spione und Invasoren die Shires bedrohten, und damals auch zur Rationierung genutzt wurden.

Wieso nun halte ich die Aussage - I have nothing to hide, so I have nothing to fear - fuer so unpassend? Das Problem ist, dass die Behoerden, die diese Massen an Informationen zusammentragen, aus Leuten bestehen. Die sind bekanntlich nicht alle unfehlbar und somit auch nicht alle vertrauenswuerdig. Man muesste ihnen aber vertrauen, dass all die Informationen nur den richtigen Personen zugaenglich sind (Datenschutz, Netzwerksicherheit, ...) und dass all die "richtigen" Personen die Informationen nur fuer die gesetzmaessigen Zwecke einsetzen.

Stellt man nun aber einen offenen Honigtopf auf einen Rasen, dann hat man auch bald einen Schwarm von Fliegen, Ameisen und vielleicht einen Baeren Winnie the Pooh, die sich darueber hermachen.

Die Versuchung, das ganze fuer alle anderen Zwecke zu verwenden (identity theft mal wieder, aber auch profanes Verkaufen von Addresslisten) ist sicher da. Wenn man aber die Informationen nicht adequat schuetzen kann, dann sollte man sie gar nicht erst zusammentragen.

Na, soviel zu meinem zweiten Politik Beitrag.
Naechstes Mal ein bisschen mehr zu unserem Urlaub in D ohne Feinstaubplakette...

Alles Gute,
'Nash